Gewässer-Tipp

Am Großen Regen
Hans Eiber

im Nationalpark und Naturpark in Bayerisch Eisenstein
Bayerischer Wald

Eine Klinkhamer Special (modifiziert). Darunter 2 Leas-Nymphen (ebenfalls modifiziert) - Muster, mit denen unser Autor hier fing.
Links: Z.B. an besagter Sohlschwallenpartie....
Unten: ... diese schöne Regenbogenforelle.

Der Bach ist eng an dieser Stelle. Er ist eingezwängt zwischen einem jäh abfallenden Prallufer aus groben, senkrecht übereinander gestapelten Bruchsteinen und einer dichten Uferwand aus Erlen und Weiden. Von ihnen strecken einige ihre Äste so gierig ins Wasser, als würden sie nur darauf warten, sich einer nachlässig geworfenen Fliege bemächtigen zu können...
Das Wasser käme hier sicher sehr rasch um die Kurve, wenn nicht geschickt angelegte Sohlschwellen aus groben Granitbrocken seinen Lauf erheblich abbremsen würden. Und zwischen den etwa 10 m auseinander liegenden Schwellen haben sich schöne Gumpen gebildet.
Gespannt hatte ich meinen Kopf etwa über den Rand des hohen Prallufers vorgeschoben. Allerdings nicht vorsichtig genug. Aus der Vogelperspektive konnte ich gerade noch sehen, wie sich eine ansehnliche Regenbogenforelle ins diffuse Dunkel eines dieser Gumpen absinken ließ.
Wenig später stehe ich auf Höhe der unteren Schwelle und serviere eine Trockenfliege stromauf. Aber auch mehrmalige Präsentationen rufen absolut keine Reaktion hervor. Ich öffne meine Nymphendose, um Muster und Taktik zu ändern. Neben den obligaten Goldkopfnymphen befinden sich einige neuere Muster darin, die ich erst kürzlich gebunden hatte. Mit einem Truck Cast „schnippe“ ich wenig später eine davon in den Strudel unterhalb der nächsten Schwelle, wo sie sofort wie ein kleines Steinchen absinkt.

Nun kommen Schnurspitze und Vorfach schnell auf mich zu. Ich muss sehen, dass ich Schnur aufnehme. Das klappt nicht beim ersten Mal, aber einige Würfe später – ich gebe nicht so schnell auf, wenn ich mich erst einmal an einer viel versprechenden Stelle festgebissen habe – streckt sich ruckartig die Schnurspitze.
Der Fisch leistet hartnäckigen Widerstand, doch bald gelingt es mir eine wohlproportionierte Regenbogenforelle über den Kescherrand ins Netz zu führen. Die „Leadhead Nymph“ (wie banal doch ihr Name klingt, wenn man ihn übersetzt: „Bleikopf-Nymphe“) hängt in ihrem Kiefer.
Schwerer Kopf
„Leadheads“, das sind beschwerte Nymphen des holländischen Fliegenbinders Hans van Klinken. Statt einer Messingperle verwendet er ein passendes Bleischrot hinter dem Hakenöhr, um solchen Mustern genügend Gewicht zu verpassen.
Etwas abweichend von der Originalbindeweise setze ich das Schrot einfach auf den Haken und führe den Bindefaden mehrmals und kreuzweise durch den offenen Spalt. Dann wird das Schrot nur noch zugedrückt und der Rest des Körpers aufgebaut.
Nach meinem Dafürhalten verbessert sich die Schwimmhaltung der Nymphe noch etwas, wenn das Schrotkörnchen nicht am Kopf, sondern hinten über dem Hakenbogen eingebaut wird. Das geht übrigens auch mit Messingperlen. Ein kurzer Artikel darüber erschien unlängst im amerikanischen „Fly Fisherman“.

Mir scheint, die Hakeigenschaften sind gegenüber herkömmlichen Goldkopf- oder van Klinkens Leadhead Nymphen so noch etwas günstiger.
Der „Große Regen“
Ort der Handlung: Der Große Regen bei Bayerisch Eisenstein im östlichsten Teil des Bayerischen Waldes. Die tschechische Grenze ist nur etwa 200 m von jener Engstelle entfernt, wo noch zwei weitere Forellen auf meine modifizierten holländischen Nymphen ansprachen. Weshalb dieser Fluss – bei einer Breite von etwa 5 bis 7, an einigen Stellen auch bis zu 10 m – das Attribut „Groß“ im Namen trägt, um dann ab dem Ort Regen Schwarzer Regen genannt zu werden ... das wissen sicher auch die Geographen nicht zu sagen. Aber sein Wasser springt quicklebendig über das Urgestein und hat dort, wo es von der tschechischen auf die bayerische Seite wechselt, die phänomenale Qualität von 1 bis 1,5.
Seinen Lauf in Bayern beginnt der Große Regen an einem Gleitwehr. Leider ist es zu steil, um den Fischen im Herbst den Laichaufstieg zu ermöglichen. Bei unserem Besuch Ende September beobachteten wir einige schöne Bachforellen, die bereits versuchten, dieses Hindernis zu nehmen. Vergebens.
Dieser Wehrpool ist andererseits ein guter Platz für Saiblinge. Von ihnen beherbergt die hier beschriebenen Strecke einen guten Bestand.
Ab diesem Wehr fließt der Regen rund 200m unter einem geschlossenen Kronendach von überhängenden Weidenbüschen und ziemlich geradeaus bis zur Ortsmitte von Bayerisch Eisenstein. In den Gumpen hinter den in unregelmäßigen Abständen eingebauten Sohlschwellen stehen Fische von bis zu 40 cm Länge, wobei einige sogar noch etwas mehr messen können. Die strammen Regenbogenforellen, die hier zu fangen sind, stammen übrigens nicht aus hiesigem Besatz, sondern werden bei Hochwasser über das Wehr an der Landesgrenze gespült. Aber sie sind durchwegs gut genährt und haben einwandfreie Flossensäume.

Michael Flierl am obersten Wehr (Grenze zu Tschechien)...

Feines Fischen

Ewald Liebl ist Juniorchef der Pension „Grenzwald“, eines Familienbetriebs mitten in Bayerisch Eisenstein. Seit Kindheitsbeinen ist er am Wasser und an den Fischen interessiert. Auch er fand über das Angeln zum Fliegenfischen.
Als sich eines Tages die Gelegenheit bot, den Großen Regen ab der Grenze zu Tschechien auf insgesamt 6 km Länge zu pachten, griff er zu. Mit viel Engagement hat er seinen Regen inzwischen zu einer gepflegten Fliegenstrecke entwickelt, an der vor allem die Liebhaber feinerem Gerät auf ihre Kosten kommen.
Ruten der Klasse 4 und 5 sind hier richtig. Allerdings sollte man nicht nur mit seinen kürzesten Stöckchen anreisen. Auch wenn sich an einigen Stellen die Baumkronen über dem Bachbett schließen, so dass man in einem lichten, grünen Tunnel und abgeschieden von der übrigen Welt fischt, finde ich eine Rute zwischen 8 und 9 m größten Teil der Strecke als sehr angenehm. Mit einer etwas längeren Gerte kann man über höheren Uferbewuchs reichen und in der schnellen Strömung seine Muster kontrollierbarer anbieten.

Wiesen und Wald

Unterhalb der Ortsstrecke von Bayerisch Eisenstein, wo mein Fliegenfischer-Spezi Michael Flierl und ich noch einige Regenbogenforellen erwähnter Güte fingen, beginnt die 4 km lange „Waldstrecke“. An derem oberen und unteren Ende zweigt jeweils ein Turbinenbach ab. Beide halten schöne Fische, sind aber schwer zu befischen. Ihr Wasser fließt ruhig und glatt und man muss schon verflixt aufpassen, um von den Fischen nicht schneller ertappt zu werden, als den Fangchancen förderlich.

Junior-Chef Ewald Liebl ist selbst Fliegenfischer. Dazu ein fachkundiger Lizenzgegeber.

Hier sind die angesprochenen, längeren Ruten besonders von Vorteil, da man mit ihnen die fliege auch aus der Deckung heraus ausbringen kann.
Das eigentliche Flussbett schlängelt sich derweilen windungsreich durch ein schönes Tal. Umgestürzte Bäume und querliegende Granitquader machen es zu einer anbietetechnisch (und drilltaktisch!) interessanten Partie.
Im unteren Teil nimmt der Fluss schluchtartigen Charakter an, mit herrlichen Rauschen, Rieselstrecken und dunklen Pools. In diesem Bereich befanden wir Ende September das Fischen als schwierig. Im Hochsommer dagegen, wenn sich mehr Fische in die kühlen, vom umliegenden Fichtenwald beschatteten Gumpen zurückziehen, sollen diese Partien leichter zu befischen sein.
Hin und wieder tritt aber auch der Wald zugunsten saftiger Wiesen zurück und die geben reichlich Raum zum Werfen. An diesen sonnenbegünstigten Stellen ist das Insektenleben zu bestimmten Zeiten besonders reichhaltig und die Fische konzentrieren sich in diesen Abschnitten. Ende Juni bis Anfang Juli gibt es hier z. b. sogar einen moderaten Maifliegenschlupf. So spät im Jahr, weil wir uns hier auf etwa 700 m Meereshöhe befinden.

Moderat, weil es sich um ein Gewässer im Urgestein handelt, das zwar viel Geröll und Kies führt, doch nur wenige lehmige Partien aufweist.
Als wir am Nachmittag mit Junior Ewald an der Waldstrecke fischen, erkundige ich mich ein wenig nach empfehlenswerten Fliegenmustern. Er meint, beschwerte Nymphen sind besonders in den erwähnten Pools der Sohlenschwellen im Ortsbereich erfolgreich. Und wer gerne mit dem Streamer fischt, der bräuchte dort geeignete Koppenimitationen.
Dann holt er aus seiner Tasche die Trockenfliegendose heraus: Bivisbles, zwei oder drei Hofland´s Francies – mein Gott, wie lange habe ich mit diesem Muster schon nicht mehr gefischt – und kleine graue Steinfliegen mit gelber Fadenrippung. Fast alles klassische, sehr bewährte Fliegenmuster.
Im Herbst sind, laut Ewald, kleine, helle Duns sehr erfolgreich und den Sommer über Sedgemuster. Oder, er schnalzt mit der Zunge, Grashüpfer, besonders in der Wiesenstrecke. Mit fällt dazu natürlich sofort mein Lieblingsmuster ein, der „Michigan Hopper“, und auf, dass ich im Sommer unbedingt ´mal herkommen muss.

Direkt vor der Pension "Grenzwald"

Im Wehrstau

Gegen Nachmittag wirft die Herbstsonne ein paar Strahlen in dieses steil eingeschnittene Tal. Wir fischen im Wehrstau, kurz vor dem Abzweig des unteren Turbinengrabens. Eine etwa 40 m lange, recht breite Stelle, in deren ruhigem Wasser einige große Felsen liegen. Ideale Standplätze für Bachforellen.
Reichlich Sonnenschein macht aktiv. Ring an Ring zerfließt auf der ruhig dahinströmenden Oberfläche. Viele Fische sind also derzeit ansprechbar.
Aber sie erweisen sich als sehr, sehr vorsichtig.
Meine Trockenfliegen-Offerten kommen zwar an, werden jedoch höchst kritisch begutachtet. Interessierbare Fische lassen sich unter den offerierten Mustern mittreiben, um letztlich mit einem kurzen verächtlichen Schlag der Schwanzflosse „abzuwinken“. Ein Verhalten, das mich stark an meine ungutesten Erfahrungen mit Döbeln erinnert.
A
lso krame ich in meinen Trockenfliegen. Auch hier habe ich ein kleines, „holländisches“ Fach und darin eine Variante der Klinkhamer Special, ebenfalls ein Muster von Hans van Klinken. Statt Kalbsschwanz bzw. Polypropylen, wie in der Originalbindeweise beschrieben, bevorzuge ich allerdings für die Büschelschwinge durchwegs Entenbürzelfedern.
Für etwa eine Stunde erlebe ich dann am Großen Regen auch noch schönstes Trockenfischen. Die bunten Bayernwald-Farios beurteilen diesen Emergertyp mit seinem tief eintauchenden Abdomen freundlicherweise als unwiderstehlich. Geradezu faszinierend, wie meine Fliege von diesen Fischen ohne einen Anflug von Argwohn genommen wird!

Natürlich übertreibe ich´s nicht und nach ein paar Fischen bis 30 cm lasse ich´s gut sein. Dann taucht die wandernde Sonne den Stretch wieder in tiefe Schatten und binnen Minuten ist kein Ring mehr zu sehen.

Engagiertes Management

Ewald Liebl hat uns am ersten Tag mit seinem kleinen Geländebus herumgefahren. Erstens, um uns die gesamte Strecke zu zeigen. Und zweitens, um uns an eine kleinen glasklaren Seitenbach zu führen. Wie wir uns diesem vorsichtig näherten, begannen seine Augen zu leuchten.
Ein paar schöne Bachforellen schwebten schon über dem sauberen Kiesgrund – die ersten, die sich jetzt, am Ende der Saison, bereits zum Laichen eingefunden hatten. Blitzartig verschwanden sie unter einem Haufen angeschwemmten Treibholzes.
Einige zum Laichen geeignete Seitenbäche fließen über den gesamten Verlauf der Liebl´schen Strecke zu. Sie stehen unter der besonderen Obhut von Ewald Liebl. Hier fängt er jedes Jahr Elternfische beim Aufstieg ab. In eigenen Waldquellenteichen - deren Fischreichtum auch hin und wieder der Fischotter zu schätzen weiß, wie uns Ewald Liebl schmunzelnd erzählt - zieht er aus abgestreiften Eiern Fingerlinge bis Fangreife heran.
Um seine Fischerei interessant zu halten und zugleich seine selbstlaichenden Wildbestände zu entlasten, ergänzt er das Jahr über die Bachforellen-Bestände in allen Streckenteilen regelmäßig mit unterschiedlich großen Exemplaren aus diesen zusätzlichen Nachzuchten.

Gastlichkeit im Bayerisch Wald

Wenn man Familie hat, ist es fast zu schade, alleine nach Bayerisch Eisenstein zu kommen. Auch wenn während der Fischereisaison Skifahren oder Rodeln eher nicht möglich ist, gibt es in der Umgebung attraktive Möglichkeiten für Nichtfischer.
Man kann die 1.457 Höhenmeter des Großen Arbers erwandern oder mit dem der gleichen Gondel erschließen, mit der im Winter unzählige Gäste ins größte Skigebiet Nordbayerns gehoben werden. Auch der Nationalpark Bayerischer Wald liegt mit seinem berühmten Tiergehege in direkter Nachbarschaft. Außerdem lädt das vor der Tür liegende Tschechien zu Ausflügen ein und direkt in Bayerisch Eisenstein befindet sich das Arber-Wellenhallenbad!
In der Hotelpension „Grenzwald“ stehen neben Einzel- und Doppelzimmern einige Ferienwohnungen mit Küche zur Verfügung. Ein Hobbyraum mit Fitnessgeräten und einer Tischtennisplatte ist ebenfalls vorhanden. Das wichtigste Fischereizubehör wie Fliegen, Vorfächer und andere Kleinartikel hält Ewald Liebl ständig vorrätig. Man braucht sich also nicht an der Frühstücksbutter zu vergreifen, wenn einem das Fliegenfett in den Bach gefallen und davongeschwommen ist ...
Am Abend trifft man sich dann in der gemütlichen Gaststube zum Essen in zünftiger Fischerrunde. Eine Spezialität des Hauses, der Blutwurz-Kräuterlikör, kommt mit rustikalen 60% Alkoholgehalt flambiert an den Tisch. Und nach dem Genuss von einem oder zwei Gläschen dieses Elixiers fallen Fischergeschichten jeglicher Art erfahrungsgemäß immer besonders phantasievoll aus ...

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